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Im März 2019 stellten der Berner Rassismus Stammtisch und ein Artikel von Simon Gsteiger im Berner «Bund» öffentlich in Frage, wie es sein kann, dass im Schulhaus Wylergut ein Wandbild-ABC aus der Nachkriegszeit bis heute unkommentiert rassistische Darstellungen zeigt. Das Wandbild ist 1949 als Auftrag der Stadt an die beiden Künstler Eugen Jordi und Emil Zbinden entstanden. Ausführlicher zum Wandbild im Text von Etienne Wismer, Kunsthistoriker und Präsident des Fördervereins Emil Zbinden.

Im Sommer 2019 entschied die Stadt Bern, einen Wettbewerb zum Umgang mit diesem Wandbild auszuschreiben. Im Sommer 2020 wurden die rassistischen Bildfelder des Wandbildes von unbekannten Aktivist*innen schwarz übermalt. Im März 2021 kommunizierte die Präsidialdirektion der Stadt Bern unser Projekt als Siegerprojekt des Wettbewerbs. Mit «Das Wandbild muss weg!» arbeiteten wir kontinuierlich an der Ermöglichung der Abnahme des Wandbildes und der Schenkung an das Bernische Historische Museum BHM. Im Herbst 2023 waren die Arbeiten der Wandbildabnahme abgeschlossen und das Wandbild wurde an der Hochschule der Künste Bern HKB restauratorisch aufbereitet und retuschiert. Im März 2024 konnte es an das Bernische Historische Museum ausgehändigt werden, wo es seit April 2024 in der vom Verein kuratierten Ausstellung Widerstände. Vom Umgang mit Rassismus in Bern kontextualisiert gezeigt wird.

Ziel unseres Vorhabens ist, eine Reflexion über die Geschichte und Gegenwart von Rassismus und damit einen Beitrag zur zeitgenössischen Erinnerungskultur zu leisten. Das Projekt beschäftigt sich mit Fragen wie: Welche rassistischen Bilder und Denkmuster wirken bis in unsere Gegenwart hinein? Was ist für wen erhaltenswert? Wie können wir die Diskussion zum kolonialen Erbe gesellschaftlich führen?

FAQ
Warum ist das Wandbild rassistisch?
Das Wandbild zeigt eine Bildfolge, die Schulkindern hilft, das Alphabet zu erlernen. Fast jedem Buchstaben auf dem Wandbild ist eine Darstellung zugeordnet: A wie Affe, B wie Blume. Zwei Buchstaben zitieren rassistische Fremdbezeichnungen, die aus der Kolonialzeit stammen: I für die indigene Person der Amerikas und N für die Schwarze Person. Beide Begriffe sind diskriminierend und werden heute nicht mehr verwendet. Ausserdem wird ein dritter Buchstabe mit einer stereotypen Darstellung eines nicht-weissen Menschen visualisiert: C wie Chinese. Diese drei nicht-weissen Menschen sind im Wandbild-ABC gleichgesetzt mit Pflanzen und Tieren. Vermittelt wird den Schulkindern also nicht bloss das Alphabet, sondern auch ein Weltbild, das der Kolonialismus geprägt hat: Es geht um die Abgrenzung der europäischen «Zivilisation» von «primitiven Rassen» und der Natur. Auch wenn dies nicht die Intention der beiden sozial engagierten Künstler war, ist dieser Effekt wirksam und in einem heutigen rassismus-sensiblen Kontext und einem diversen Schulhaus nicht mehr länger tragbar.

Die Philosophin und Geschlechterforscherin Patricia Purtschert geht in ihrem Rahmentext zur Ausstellung «Widerstände. Vom Umgang mit Rassismus in Bern» eingehend auf den kolonialen Kontext des Wandbilds ein. Der Text kann hier nachgelesen werden.


Kann ein Wandbild zweier sozial engagierter Künstler rassistisch sein?
Ja. Auch Eugen Jordi und Emil Zbinden waren geprägt vom Imperialismus und Rassismus der Nachkriegszeit in der Schweiz – in Sprache, Darstellung und Weltsicht. Doch für kolonisierte und rassifizierte Menschen war das Bild immer schon rassistisch, nicht erst seit «heute». Selbst wenn die Künstler Jordi und Zbinden keine rassistische Absicht hatten, muss das Wandbild als rassistisch gelesen werden. Uns ist wichtig zu betonen: Wir sind alle rassistisch sozialisiert, weil unsere koloniale Vergangenheit in unsere gesellschaftlichen Strukturen heute hinein wirkt. Wir wollen keine Fingerzeige machen, sondern aufzeigen, wie wir gemeinsam gegenüber unserer rassistischen Sozialisierung sensibler werden können, um bewusst gegen Rassismus in seinen vielfältigen Formen anzugehen.


Wer übermalte die Bildfelder C, I und N des Wandbildes und wie hat die Stadt Bern darauf reagiert?
Unbekannte Aktivist*innen bekannten sich in einem Text zur Übermalung des Wandbildes. Der Gemeinderat der Stadt Bern, der Eigentümerin des Wandbildes und Schulhauses, verzichtete mit Verweis auf die Proteste der «Black Lives Matter»-Bewegung auf eine Strafanzeige gegen Unbekannt.


Warum ist das Wandbild auch nach der Übermalung noch rassistisch?
Die Umrisse der dargestellten rassifizierten Menschen sind nach der Übermalung noch erkennbar. Sie wurden von Eugen Jordi und Emil Zbinden in die Wand geritzt.

Foto: Attila Janes
Foto: Vera Ryser
Zwischenzeitlich waren die übermalten Bildfelder N und I auf Initiative einer Lehrperson mit gelbem Papier verdeckt. Das bemalte Papier zeigt die ursprünglich kleiner dargestellten Buchstaben bildfüllend und imitiert die originalen farbigen Bildränder. Das Bildfeld C wurde nicht verhängt.

Foto: Vera Ryser

Was sind die Argumente dafür, das Wandbild aus der Schule zu entfernen?
Eine Schule hat den gesetzlichen Auftrag, allen Kindern den gleichen Zugang zu Bildung zu gewähren. Chancengleichheit und Diskriminierungsverbot sind in der Schweiz in der Bundesverfassung verankert (Art. 41 Abs. 1f; Art. 8 Abs. 2). In der Bildungsstrategie der Stadt Bern heisst es im 1. Grundsatz einer integrativen Schule: «Die Volksschule versteht sich als eine Schule der Vielfalt, in der die Selektion so ausgestaltet ist, dass Diskriminierungen sowie zu frühe negative Weichenstellungen vermieden werden.» Für Primarschüler*innen, die nicht der weissen Mehrheitsgesellschaft angehören, ist die tägliche Begegnung mit dem Wandbild im Schulhaus Wylergut aber ausgrenzend und diskriminierend. Das Wandbild vermittelt den Primarschüler*innen im Schulhaus Wylergut ein koloniales und rassistisches Weltbild, das nicht vereinbar ist mit den Werten der modernen Schweizer Gesellschaft. Das Wandbild ist deshalb nicht mehr tragbar in einer heutigen Schule. Die Abnahme des Wandbildes ist ein Beitrag für eine inklusive und rassismussensiblere Schule und für die Sensibilisierung für rassismuskritische Lehrmittel.




Wie wurde das Wandbild konservatorisch abgenommen?
Zum Einsatz kam das sogenannte Staccoverfahren: Die Malerei wurde von vorne geschützt, vorsichtig hinterschnitten und auf ein neues Trägermaterial übertragen. Das Konzept zur Umsetzung der Abnahme wurde von Alicia Ledergerber, Absolventin der Hochschule der Künste Bern HKB in ihrer Masterthesis entwickelt, das Konzept zur Umsetzung der Rahmung der abgenommenen Bildfelder entwickelte Daria Jermann im Rahmen einer Semesterarbeit ihres Bachelorstudiums. In einem Pilotprojekt wurden im Rahmen der Thesis zwei Buchstaben-Felder abgelöst, um die Machbarkeit zu evaluieren. Mehr Informationen zur Zusammenarbeit mit der HKB hier.

Bereits im Arpril 2021 wurde unmittelbar neben dem Wandbild eine Sondierungsbohrung vorgenommen um die geeignete Abnahmetechnik zu eruieren.

Foto: Vera Ryser

Wann wurde die Wandbildabnahme durchgeführt?
Die Wandbildabnahme startete in den Berner Sommerschulferien am 12. Juli 2023. Die Arbeiten dauerte mehrere Wochen bis im Herbst 2023 und fand jeweils in der unterrichtsfreien Zeit statt.


Was ist anstelle des Wandbilds im Schulhaus Wylergut zu sehen?
Nach der Wandbildabnahme im Herbst 2023 blieb eine Leerstelle in der Wand im Treppenhaus im Schulhaus Wylergut zurück. Die Wand wurde nach Entnahme des Wandbilds im Januar 2024 in Absprache mit dem Verein neu verputzt. Bis im April 2025 waren die Umrisse der Bildtafeln in einem hellen Grauton markiert und erinnerten so an das dislozierte Wandbild. Diese Markierung wurde in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Shirana Shahbazi und dem Verein erarbeitet. Zudem verwies ein an der Wand angebrachter QR-Code auf diese Website. Die Kommission für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Bern KiöR beauftragte im Sommer 2024 auf Vorschlag des Vereins Shirana Shahbazi für die Umsetzung eines neuen Kunstwerks für das Schulhaus Wylergut. Das Werk wurde in den Frühlingsferien 2025 installiert.


Worum handelt es sich beim neuen Werk im Schulhaus Wylergut?
Shirana Shahbazi entwickelte im Austausch mit dem Verein einen Vorschlag mit Keramikplatten, die sich in Farbgruppen über drei Etagen des Treppenhauses erstrecken und vorerst jene Stelle freilassen, an der das Wandbild zu sehen war. Bis im Sommer 2027 wird das Werk zusammen mit den Schüler*innen der jeweiligen Abschlussklasse erweitert und die Leerstelle aufgefüllt. Für die partizipative Vermittlung mit den Schüler*innen vergab der Verein ein Mandat an Mira Koch, Sozialanthropologin und Jugendbeauftragte bei der Fachstelle Kinder- und Jugendmitwirkung der Stadt Bern sowie Djamila Peter, Antirassismusexpertin und Vermittlerin.




Warum kam das Wandbild ins Museum?
Es war und ist uns ein Anliegen, dass das Wandbild und die darauf abgebildeten Rassismen mit einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden können. Das Bernische Historische Museum ist – im Gegensatz zu einer Primarschule – der richtige Ort für eine solche Debatte.


Wann kam das Wandbild ins Museum?
Das Wandbild wurde im März 2024 dem Bernischen Historischen Museum übergeben.


Warum kommt das Wandbild mit der schwarzen Übermalung ins Museum?
Die Stadt Bern als Inhaberin des Werkes hat nach einer fachlichen Beurteilung vom Versuch der Wiederherstellung des Originalzustandes abgesehen. Die Verantwortlichen des Bernischen Historischen Museums sehen die Übermalungen als ein Zeitdokument: Sie sprechen von gesellschaftlichen Veränderungen und vom Widerstand gegen Rassismus.


Was ist das Ziel der Ausstellung im Bernischen Historischen Museum?
Ziel der Ausstellung ist es, eine Diskussion über koloniale Verflechtungen und strukturellen Rassismus in der Schweiz am Beispiel des Wandbilds historisch und im Jetzt zu verorten und voranzutreiben. Zusammen mit dem Bernischen Historischen Museum möchten wir mit dem Vorhaben einen gesellschaftlichen Lernprozess anstossen und im Museum einen Ort des offenen Dialogs schaffen.




Warum der Projektname «Das Wandbild muss weg!»?
Der Name unseres Projekts soll eine Debatte darüber anstossen, wie wir heute und zukünftig mit kolonialem Kulturgut umgehen wollen. Uns geht es nicht darum, diese Debatte zu polemisieren, sondern die Dringlichkeit zu vermitteln, die diese Debatte für den Schweizerischen, aber auch den europäischen Kontext darstellt. Das Wandbild ist nur ein Beispiel für eine Reihe von Kulturgütern, die von dem Fortbestehen kolonialer und rassistischer Denkmuster bis in unseren heutigen Alltag hinein erzählen.


Welche Prozesse waren nötig, um die Wandbild-Abnahme möglich zu machen?
Das Projekt hat mehrere demokratische Prozesse durchlaufen: 2019 wurde es von der Jury des öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerbs «Transdisziplinärer Wettbewerb zum Kulturerbe der Kolonialzeit: Das Wandbild Wylergut Bern als Beispiel» als eines von fünf Projekten zur Vorauswahl vorgeschlagen, 2020 erkor dieselbe Jury das Projekt einstimmig als Gewinnerin, 2021 überprüfte die Fachstelle Kultur der Stadt Bern das Projekt und empfahl es zur Umsetzung. Auch der Gemeinderat stimmte der Abnahme und Schenkung an das Bernische Historische Museum zu.


Wer finanziert das Vorhaben?
Das Vorhaben (exkl. Vermittlungsprogramm am Bernischen Historischen Museum) wird mit folgenden Beiträgen finanziert:

Burgergemeinde Bern: CHF 10'000
Ernst Göhner Stiftung: CHF 15'000
Fachstelle für Rassismusbekämpfung, Eidgenössisches Departement des Innern EDI: CHF 30'000
Gwaertler Stiftung: CHF 7'500
Kultur Stadt Bern: CHF 55'000
Neues Wir, Eidgenössische Migrationskommission EKM: CHF 40'000
Pro Helvetia: CHF 25'000
Stiftung Corymbo: CHF 10'000
SWISSLOS/Kultur Kanton Bern: CHF 10'000


Wie viel kostete die Wandbildabnahme?
Die Wandbildabnahme kostete gesamthaft rund CHF 100'000.


Warum dauerte das Projekt so lange?
Die institutionellen und politischen Prozesse, die für die Wandbild-Abnahme nötig waren, waren komplex und aufwändig. Die Wandbild-Abnahme bedingte ein Zusammenspiel von Behörden und Verwaltung, von Fachpersonen für die Wandbild-Abnahme, vom Museum und von der Schule.


Warum ist das Projekt so teuer?
Die Wandbild-Abnahme war technisch aufwändig und deshalb teuer. Unser Projekt finanziert zudem nicht nur die Abnahme des Wandbildes, sondern auch Vermittlungsformate in und ausserhalb der Schule und des Museums.




Wo kann ich mehr über das Wandbild erfahren?
Auf dieser Webseite findet sich weiterführendes Material, darunter ein Themenset zum Wandbild. Der Projektverlauf iwird kontinuierlich dokumentiert unter News und Dokumentation. Auch die Ausstellung im Bernischen Historischen Museum (Laufzeit: 25.04.2024 – 01.06.2025) verhandelt die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Wandbildes.