Es ist ein Beispiel unter vielen: 1949 malen die zwei sozial engagierten Künstler Emil Zbinden und Eugen Jordi im Auftrag der Stadt Bern ein Wandbild-ABC im Schulhaus Wylergut: A wie Affe, B wie Blume, Z wie Ziege. Neben Pflanzen und Tieren beziehen sich drei Buchstaben des Alphabets auf nicht-europäische Menschen: C für Chinese, I für die indigene Person Amerikas und N für die Schwarze Person. Das sind Stereotypen und Rassifizierungen, die damals in der breiten Schweizer Bevölkerung nicht hinterfragt wurden und auch in pazifistischen Kreisen geteilt wurden.
Siebzig Jahre lang ist das Wandbild kein Gegenstand öffentlichen Interesses – bis 2019 ein Artikel im Berner Bund erscheint und verschiedene antirassistische Kollektive und Aktivist*innen seine kritische Aufarbeitung fordern. Die Kultur Stadt Bern schreibt darauf einen öffentlichen Wettbewerb zur Kontextualisierung des Wandbildes aus, den wir mit «Das Wandbild muss weg!» gewinnen. Im Sommer 2020 werden die kolonial-rassistischen Darstellungen der Bildfelder C, I und N von unbekannten Aktivist*innen übermalt.
Unser Projekt machte möglich, dass das Wandbild im Schulhaus abgenommen und inklusive der schwarzen Übermalungen an das Bernische Historische Museum geschenkt wird: Nach zwei Jahren Vorbereitungszeit fand im Sommer/Herbst 2023 die Abnahme des Wandbildes statt. Danach wurden die abgenommenen Bildfelder an der Hochschule der Künste Bern restauratorisch bearbeitet und retuschiert. Seit Frühling 2024 ist das Wandbild Teil der Sammlung des Bernischen Historischen Museums.
Im Rahmen eines Gastkuratoriums gestalteten wir als Verein eine Ausstellung im Bernischen Historischen Museum:
«Widerstände. Vom Umgang mit Rassismus in Bern» verortet beständige koloniale Muster und historisch gewachsene rassistische Strukturen im Jetzt – und bietet Denkanstösse für die öffentliche Auseinandersetzung, wie wir als Gesellschaft mit diesem Kulturerbe aus der Kolonialzeit umgehen möchten. Die Ausstellung kann noch bis am 1. Juni 2025 besucht werden.
Das bemalte Stück Mauer hat das postmigrantische Bern bewegt und verändert – die Öffentlichkeit und die
weissen Institutionen genauso wie die Menschen, die sich für Antirassismus einsetzen. Aber wie geht es nun weiter? Wie können die Impulse der letzten Jahre genutzt werden, um eine rassismuskritische Transformation weiter zu stärken?
Um diese Fragen öffentlich zu diskutieren, gestaltete der Verein «Das Wandbild muss weg!» zusammen mit dem
Public Anthro Lab der Universität Bern am 18. März 2025 in der Dampfzentrale Bern eine Veranstaltung:
«Zuhause in der Diaspora: Das Wandbild ist weg – wie weiter?». Es war ein vielstimmiges Forum mit Gästen aus Politik, Forschung, Kunst, Zivilgesellschaft, Medien und Community. Die Veranstaltung fand im Rahmen der
15. Aktionswoche der Stadt Bern gegen Rassismus statt.
Diese Webseite begleitet und dokumentiert den Weg zur Wandbild-Abnahme und Ausstellung und stellt Materialien für eine rassismuskritische Gegenwart und Zukunft zur Verfügung.